Wünschen reicht nicht – aber ohne Wunsch beginnt kein Weg
Warum Wunschkompetenz der Schlüssel zur beruflichen Neuorientierung in der Lebensmitte ist
Vielleicht spürst du es auch: Dieses leise, innere Ziehen. Ein Unbehagen, das sich nicht klar benennen lässt, aber immer wieder auftaucht – besonders in Momenten der Ruhe. Vielleicht suchst du Orientierung, neue Energie oder einfach nur einen kleinen, ehrlichen Impuls, der dich wieder mit deiner inneren Klarheit verbindet.
Ich kenne diese Phasen gut. In meinen Dreißigern war ich erfolgreich, äußerlich stimmte alles – und doch: Ein Teil von mir blieb ungelebt. Da war eine tiefe Sehnsucht, die sich weder fassen noch formulieren ließ. Ich funktionierte, liebte, arbeitete – aber ich lebte mich nicht vollständig.
Damals begann ich zu begreifen: Wünsche sind nicht nur Träume. Sie sind Signale. Botschaften aus dem Innersten unseres Selbst, die uns zeigen, was (noch) fehlt – oder was nicht mehr passt. Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Nicht jeder Wunsch führt automatisch zur Erfüllung. Und nicht jeder Wunsch gehört wirklich zu uns.
„Manchmal ergibt das Ausmalen der Erfüllung eines Wunsches, dass es das eigentlich gar nicht ist, was man sich wünscht.“
— Joseph Rieforth (Psych. Compact 79/2025, S. 82)
Was für ein starkes, ehrliches Zitat. Denn es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, unsere Sehnsüchte zu prüfen. Sie auseinanderzunehmen. Sie von äußeren Erwartungen zu befreien: von alten Rollenbildern, gesellschaftlichen Normen, inneren Antreibern wie „Sei perfekt“, „Streng dich an“, „Mach’s allen recht“.
Wunschkompetenz – ein unterschätzter Entwicklungsschritt
In der Psychologie sprechen wir zunehmend von Selbstkongruenz – dem Zustand, in dem das äußere Leben mit den inneren Werten, Motiven und Bedürfnissen übereinstimmt. Wer beruflich aufblühen will, muss wissen, was ihn oder sie wirklich nährt. Nicht was auf dem Papier gut aussieht. Nicht was andere erwarten. Sondern was sich stimmig anfühlt.
Diese Fähigkeit nenne ich Wunschkompetenz:
Die Fähigkeit, eigene Wünsche zu erkennen, zu hinterfragen, zu verfeinern – und loszulassen, wenn sie nicht (mehr) zu einem passen. Wunschkompetenz ist ein Reifeprozess. Und er wird besonders wichtig in der Lebensmitte, wenn alte Konzepte nicht mehr tragen und neue noch nicht klar sind.
Zwischen 45 und 55: Die zweite Reifung
Frauen in der Lebensmitte stehen oft an einem Wendepunkt. Die Kinder sind größer oder aus dem Haus, beruflich ist „alles erreicht“ – und trotzdem wächst die Sehnsucht nach Sinn, Tiefe, Wirksamkeit. Diese Phase ist keine Krise. Sie ist ein evolutionärer Entwicklungsschritt. Neuropsychologisch betrachtet verändert sich unsere Motivationsstruktur ab etwa Mitte 40: Die Dominanz von Status, Sicherheit und Leistung wird abgelöst durch ein stärkeres Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, Sinn, Balance. Diese innere Verschiebung braucht Zeit, Reflexion – und ehrliche Antworten auf Fragen wie:
- Was wünsche ich mir – wirklich?
- Warum genau ist mir dieser Wunsch wichtig?
- Was wäre daran lebendig, inspirierend, bedeutungsvoll?
- Und: Ist dieser Wunsch meiner – oder ein Überbleibsel fremder Erwartungen?
Der Blick zurück als Kompass
Ein kraftvoller Weg zu echter Wunschkompetenz liegt im Blick zurück. Frage dich:
- Wann hast du dich lebendig, inspiriert, kraftvoll gefühlt?
- Was war damals anders – in dir, um dich?
- Welche deiner Stärken, Werte oder Leidenschaften waren damals aktiv?
Indem du diese Erinnerungen mit aktuellen, vielleicht noch unscharfen Sehnsüchten verbindest, entsteht Orientierung. Und aus Orientierung wächst Selbstvertrauen.
Wünschen heißt nicht fordern – sondern klären
Viele Frauen in meinen Workshops spüren: Ich will etwas anderes. Aber sie können es nicht sofort benennen. Das ist kein Defizit – das ist der Beginn. Denn wer seine Wünsche prüft, klärt und formuliert, übernimmt Verantwortung. Für sich. Für die eigene Zukunft. Und für ein Leben, das in sich selbst stimmig ist – auch wenn es nicht dem Mainstream entspricht.
Wunschkompetenz heißt:
- Innere Klarheit statt äußeren Applaus.
- Tiefe statt Tempo.
- Selbstbestimmung statt Anpassung.
Und manchmal heißt Wunschkompetenz auch: Ich lasse los, was ich lange wollte – weil ich erkenne, dass es mich nicht mehr erfüllt.
Wenn du gerade an einem Punkt stehst, an dem du ahnst, dass etwas Neues kommen will – aber nicht weißt, was genau – dann lade ich dich ein: Beginne bei dir. Werde Expertin für deine eigenen Wünsche. Sei neugierig. Sei ehrlich. Und nimm dich ernst.
Denn dein beruflicher Neustart beginnt nicht mit einem neuen Lebenslauf – sondern mit einem echten Wunsch, der wirklich zu dir passt.
P.S.
Ich selbst habe meinen Weg neu gewählt, als ich spürte: Ich will mehr Tiefe. Mehr Sinn. Mehr Entwicklung. So begann mein Weg in die Transaktionsanalyse – eine Entscheidung, die nicht „logisch“ war, aber stimmig. Und genau das ist Wunschkompetenz: dem inneren Ruf zu folgen, auch wenn der Weg erst beim Gehen entsteht!